Freitag, 17. Mai 2013

37cm, 940gr.

30.04.2013: Wenn ich mich mit Tom the Tripper zum fischen verabrede habe ich am nächsten Morgen ein Tier mit Pfoten statt Flossen – im Kopf. Wir haben das Jammern perfektioniert, leben in einem Land ohne Fische und nur der Schnaps kann uns trösten. Aber wir haben eine Mission. Man hat uns eklige Besatzforellen in die Aare gekippt. Wie pervers muss man sein um Forellen ohne Brustflossen auszusetzen? Unsere verzweifelte Reaktion darauf: Aufessen. Alle. Und viel Schnaps dazu trinken. Aber habt Ihr euch nicht eine Geschichte gewünscht?

Sommer 2012: Es war einmal eine junge Familie, die lebte glücklich und zufrieden auf einem Hügel im Habaland. Der kleine Janosch erlernt mit Engelsgeduld das Fischen und findet seine ersten Pilze. Wenn da nur nicht diese hartnäckige Magenverstimmung wäre... Ein paar Tage später ist die Magenverstimmung 6 Wochen alt, mehrzellig und gesund. Wir sind schwanger.

Herbst 2012: Es war einmal eine junge Familie die sich auf den Frühling freute. Janosch lernt die Jahreszeiten. Herbst: Die Blätter werden gelb und es schneit. Winter: Die Blätter fallen immer noch nicht herunter und es ist sonnig und warm. Wie will man einem Kind heutzutage die Jahreszeiten erklären? Aber im Frühling kommen die Bienchen und Blümchen und wir kriegen ein Kind! 18.12.12, 37cm, 940gr. Ein Bienchen im Dezember auf der Suche nach einem Blümchen könnte nicht konfuser sein als die junge Familie aus dem Habaland. Ein Kopf so gross wie eine Mandarine, Hände so breit wie mein Daumennagel. 3 Monate zu früh. Da habt ihr eure Geschichte! 9 Wochen Spital, bange Wochen zuhause, aber wenn ich mich nicht irre habe ich soeben ein Bienchen gesehen, auf einem Blümchen. Manche Geschichten kann man sich nicht aussuchen, aber wenn ich mit 60 Jahren alt aussehe, bin ich stolz darauf zu wissen warum. Die kleine Jolan ist jetzt fast 4.5kg schwer, 55cm lang, wach und gut gelaunt. Welche Geschichten sie noch schreiben wird, können wir uns nicht vorstellen, aber wir freuen uns dabei zu sein.





























Das war nicht die gewünschte Geschichte? Wie gesagt, manchmal kann man sich die Geschichten halt nicht aussuchen.

01.05.2013. Die Maisonne hat am folgenden Arbeitstag den Restalkohol vom Trip mit Trîpper verdunsten lassen. Mittagspause, Sonnenschein, ich stehe an der Aare. Jammern kann man bei so schönem Wetter und ohne Schnaps nicht richtig, aber warum fische ich am Mittag eigentlich immer beim Parkplatz? 100Meter flussabwärts. Minus 10 Fischer. Ich klettere über einen Zaun. Minus 20 Fischer. Ich stehe direkt beim Auslauf der Kläranlage. Minus 10 Fleischfischer. Das Ufer ist mit Blöcken kanalisiert, das Wasser tief und türkisblau. Die Blockverbauung ist minimal nach innen versetz, am oberen Ende dieses fast unsichtbaren Widerwassers landet mein kleinster Aarewobbler (Jackson Qu-On Athlete 70sp) beim ersten Wurf. Es löst sich tatsächlich erstaunlich langsam ein grosser Schatten aus der Tiefe und dreht ab, ich erstarre – der Wobbler zittert in der Strömung und wie so oft braucht es nur einen winzigen Twitch um eine richtige Attacke auszulösen. Der Drill ist kurz, kraftvoll und kontrolliert mit der Rutenspitze im Wasser. Eine Schrecksekunde als die Forelle unter einem Stein verschwindet und mein Vorfach hart über die Kante schleift. Aber ich bleibe ruhig und das keschern klappt auch wie im Bilderbuch.



Forellen über 50 sind anders, ein mächtiger Kopf, Brustflossen wie Flügel, eine handgrosse Schwanzflosse. Mit 55cm war sie genau so gross wie meine Tochter und beide werden noch wachsen. Ein Eisvogel pfeift und die Welt steht einen Augenblick lang still.

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